Freitag, 9. März 2012

Ein Lehrbeispiel unlauterer Parteienfinanzierung

Gerade jetzt wird ein Fall durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschusss bekannt wie die ÖVP das Geschäft mit der Parteienfinanzierung händelt.

Immerhin bemerkenswert ist, dass dieser Ausschuss relativ rasch greifbare Ergebnisse ans Tageslicht brachte, was man den meisten Ausschüssen nicht nachsagen kann. Insbesondere jenen der den Eurofighterkauf untersuchen sollte, bei dem die ÖVP nur geschwärzte Akten lieferte, und die SPÖ diesen Ausschuss im Interesse des Koalitionsfriedens abdrehen ließ. Aus Dankbarkeit dafür kündigte Herr Molterer diesen Frieden nach weniger als 18 Monaten mit den Worten "ES REICHT" auf und Neuwahlen an.

Nun zum aufgedeckten Vorgang:
Die Parteispitze erteilt der Werbeagentur X (also eine, die der Partei sehr nahe steht oder sogar ihr gehört) den Auftrag eine Werbekampagne zum Preis X durchzuführen und zahlt einen Teil der Auftragssumme an. Nach Durchführung des Auftrages wird die Agentur gebeten die Rechnung nicht an die Partei sondern an eine andere PR-Agentur zu stellen, die ihrerseits das Geld von jener Firma erhalten hat, die die Kosten der Aktion tatsächlich bezahlt. Der angezahlte Betrag wird von der Werbeagentur X der ÖVP wieder zurückgezahlt. Die Buchhaltung ist also sauber.
Das gibt dann den zuständigen Funktionär die Möglichkeit vor die Presse zu treten und blauäugig zu verkünden: "Wir haben von der Telekom nichts bekommen. In unseren Büchern ist nichts zu finden."

Dieses Finanzierungs-Ringelspiel wirft natürlich einige rechtliche Fragen auf, die das Unternehmens-, das Finanz- und das Strafrecht betreffen. Da ist einmal die Rechtsbeziehung zwischen der ÖVP-Parteispitze und der Werbeagentur X. Zwischen beiden besteht ein Auftragsverhältnis. Die Partei erteilte einen Auftrag, die Agentur führte ihn durch und hat damit den vereinbarten Lohn verdient. Dieser Vorgang wäre soweit korrekt, hätte die Partei die erbrachte Leistung auch tatsächlich bezahlt. Doch das Gegenteil ist der Fall, sie hat die geleistete Anzahlung zurück gefordert und auch bekommen, was für die Agentur X ohnehin schon fragwürdig genug ist, dass sie das tat.
Nun fordert die Parteiführung die Werbeagentur X auf, die Leistung nicht an sie, sondern an eine andere Agentur, sagen wir PR-Agentur XY, zu fakturieren. Zwischen diesen Agenturen besteht in keiner Weise eine Rechtsbeziehung, bezahlt wird aber trotzdem. Nach den steuerlichen Rechnungslegungsvorschriften ist das ein klarer Verstoß, denn es liegt diesem Vorgang kein nachvollziehbares Grundgeschäft zugrunde. Demgemäß dürfte das zuständige Finanzamt die Zahlung als steuermindernde Betriebsausgabe für die PR-Agentur XY gar nicht gelten lassen, sondern den Betrag der vollen Besteuerung unterziehen.

Noch komplizierter wird ja die Beziehung zwischen der PR-Agentur XY und der Telekom. Unter welchem Titel wurde hier Geld transferiert? Immerhin geht es um stattliche € 96.000 oder mehr. Für die Telekom ist die Zahlung eine Betriebsausgabe dem wiederum kein nachvollziehbares Grundgeschäft gegenübersteht. Oder es wurde eine Scheinleistung konstruiert, was ja sofort ein Fall für das Strafrecht wäre. In diesem Fall würden ja gleich einige Gesetzesbrüche schlagend werden. Da ist wieder einmal die Rechnungslegungsvorschrift gegenüber der Finanz, dazu kommt das Aktionärsrecht (Schmälerung der Dividende für die Aktionäre), das untreue Fehlverhalten der involvierten Manager gegenüber dem eigenen Unternehmen welches sie zu vertreten haben. Letzteres Fehlverhalten wäre arbeitsrechtlich bzw. aktienrechtlich zu ahnden.

Das bedeutet, eine Partei, die die Interessen des Staates und seiner Bürger vertreten sollte, stiftet mehrere Unternehmen zum Gesetzesbruch an, um sich auf eine höchst unredliche Weise einen Vermögensvorteil zu sichern. Wenn ich daran denke, dass gerade diese Partei sich derart für die Transparenz von Sozialleistungen stark gemacht hat, wird mir dabei speiübel

Das ist nur ein Fall, nur ein Beispiel, wie viele solcher Tranfers es in den letzten Jahren tatsächlich gab, weiß niemand. Und noch etwas: Niemand weiß, wie andere Parteien ihre unsauberen Inkassotricks vor den Bürgern verbergen.

Jetzt frage ich ganz ungeniert in den Raum: "Wollen wir uns wirklich von solchen Parteien vertreten lassen?" Ist das unsere die sogenannte "Repräsentative Demokratie" , die wir uns wünschen? Zumal alle im Parlament vertretenen Parteien aus dem Titel der PARTEIENFÖRDERUNG jährlich rund 170 Millionen aus der Staatskassa entnehmen. Die ÖVP ist an diesem Kuchen mit mindestens knapp 50 Millionen, auf Basis der Nationaratswahl 2008, beteilgt. Warum reicht das nicht? Warum müssen die Parteien (die meisten) zu illegalen Mitteln greifen, um sich zusätzlich - hinter dem Rücken der Bürger - zu finanzieren?

Was mich aber noch fassungsloser macht, ist die Tatsache, warum regen sich die Bürger nicht auf? Warum stehen nicht 200.000 am Ballhausplatz und zeigen dem Kanzler, wir wollen das nicht! Resignatives Schweigen, nicht wählen gehen oder aus Protest eine untaugliche Partei zu wählen (z.B.die Strache-FPÖ) das ist zu wenig gelebte demokratische Verantwortung.
Jetzt ist es Zeit, dass wir Bürger mehr Verantwortung übernehmen und entsprechend handeln. Es ist unser Land!

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