Montag, 1. Oktober 2012

Die, die außerhalb der Gesetze stehen

Laut Artikel 7 der österreichischen Bundesverfassung sind alle BürgerInnen vor dem Gesetz gleich. Dieser Beitrag beweist, dass diese Aussage leider nicht wahr ist. Im Gegenteil: In Österreich gibt es ganz offensichtlich zwei unterschiedliche Rechtskreise im Strafrecht. Einen “Äußeren” und einen “Inneren”…

Der Äußere betrifft die Staatsbürger ganz allgemein. Der Grundsatz gilt:

“Haltet den Dieb und bringt ihn hinter Gitter”.

Oder an einem anderen Fall wird sogar noch mehr Staatsmacht und Willkür demonstriert: Es schließen sich beispielsweise einige Menschen für ein hehres Ziel, z. B. für den Tierschutz zusammen, kann diese Gruppe sehr rasch zu einer mafiaähnlichen Gemeinschaft erklärt werden, die mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu verfolgen ist, bis die einzelnen Mitglieder wegen der kostspieligen Verfahren in ihrer Lebensexistenz dauerhaft ruiniert sind. Selbst wenn diese Verfahren mit Freisprüchen, wie im Wiener Neustädter Tierschützerprozess, enden, vergütet ihnen der Staat das zugefügte Ungemach mit maximal € 1.200.- und lässt sie auf Verfahrenskosten jenseits von € 200.000 sitzen.

Zur Vorgeschichte: Die Fronten sind klar. Da gibt es ein neues, verbessertes Tierschutzgesetz (aber immer noch zahm genug, damit die Erwerbstätigkeit der mit Tierhaltung beschäftigten Landwirte und Gewerbebetriebe ja nicht zu sehr eingeschränkt wird) und eine Gruppe von Menschen, denen Tierschutz ein echtes Anliegen ist. Dort gibt es professionelle Tierhalter, die sich um diese neuen Gesetze, Vorschriften und Verordnungen einen feuchten Kehricht kümmern und einfach weiter nach persönlicher Profitmaximierung streben und ihnen Tierleid völlig egal ist. In einem solchen Spannungsfeld kann es nicht ausbleiben, dass einige Gegenstände, wie Schlösser und Absperrvorrichtungen zu Bruch gehen, wenn die geschundene Kreatur Tier auf keinen anderen Weg von ihren Qualen “zu befreien” ist, zumal die örtlichen Gesetzeshüter offensichtlich ihre Verpflichtung vergessen(!) auf die Einhaltung der gesetzlichen Normen bei den Tierhaltern zu beharren. Dass dann auch noch eine Textilhandelskette ins Kreuzfeuer der Tierschützer gerät, weil diese angeblich Pelzprodukte aus zweifelhaften Pelztierfarmen vertreibt und die Tierschützer auch gegen dieses Unternehmen möglicherweise geschäftsstörend agitieren kommt es zum Show-down. Nein, nicht gegen die Profiteure, die gewerbsmäßig gegen die Gesetze verstoßen, geht es, sondern gegen die aufmüpfigen Tierschützer.

Es wird eine Sonderkommission gebildet, der Gesetzgeber fährt mit allen seinen Ressourcen gegen die „Störenfriede“ auf, wie Polizei, Staatsanwaltschaft, Verfassungsschutz, Haftanstalten, Gerichte, also mit dem vollen Programm wird für Recht und Ordnung gesorgt, koste es was es wolle. Und es hat nicht wenig gekostet, die „Soko Kleider-Bauer“. Steuergeld spielt hier eine untergeordnete Rolle. Denn Recht muss Recht bleiben!

Das ist der äußere Rechtskreis, hier ist die Welt also noch in Ordnung. Der Staat zeigt seine volle Macht und Härte(!)

Der Innere Rechtskreis

Die Angehörigen des Inneren Rechtskreises entziehen sich in zweifacher Weise den Gesetzen, die für alle Staatsbürger gelten sollten, nämlich beim Strafrecht und auch bei der Kontrolle.

Dazu gehören die Politiker, Parteien und deren Spitzenfunktionäre, da ist Korruption, Bestechung, Lug und Trug durch eine besondere Form der Gesetzgebung geschützt. Und sollten jemals Zweifel an der Rechtschaffenheit dieser privilegierten Gruppe, oder eines ihrer Mitglieder, aufkommen, so ist das von der Justiz ohnehin kaum zu beweisen. Bestes Beispiel ist die langwierige strafrechtliche Untersuchung gegen Mag. Karl Heinz Grasser (Ex-Finanzminister), an dem sich die Justiz ganz offensichtlich die Zähne ausbeißt. Doch jetzt schützt sie ein neues, verbessertes Gesetz vor Strafverfolgung. Es besagt, Korruption ist für Politiker nicht strafbar!

Wie der “Der Standard” in seiner Onlineausgabe vom 22.02. 2012 berichtete, machten die Strafrechtler Helmut Fuchs und Gerhard Dannecker sowie der Steuerberater Roman Leitner bei der Präsentation des “Handbuch Korruption” auf diese Gesetzesbestimmungen aufmerksam.

Der Standard zitiert wörtlich:

„Was nämlich in der öffentlichen Diskussion bisher wenig beachtet wurde: Das Bestechen von Ministern, Landeshauptleuten, Landesräten und Bürgermeistern ist in Österreich seit einer Gesetzesänderung Mitte 2009 weitgehend zulässig. Fuchs sieht darin die “gröbste Lücke” im Korruptionsstrafrecht. Auch vom Europarat gab es dafür schon eine Rüge.”

Und weiter:

Um die bevorzugte Behandlung der “obersten Ebene” verstehen zu können, muss man sich das Strafrecht näher ansehen. Das Bestechen von Amtsträgern ist schon generell schwer nachweisbar. Erfolgt eine Zahlung nicht für ein ganz bestimmtes Amtsgeschäft, bleibt sie für Geber und Nehmer straflos.
Aber selbst wenn dieser Nachweis gelingt, müsste noch eine ” pflichtwidrige” Amtshandlung vorliegen – also etwa ein Verstoß gegen bestehende Gesetze. Damit “pflichtgemäße” Amtshandlungen, die auf Bestechung zurückgehen, nicht automatisch zulässig sind, gibt es für ” normale” Beamte noch zusätzliche Verbote im Dienstrecht. Das Problem: Für Ministern, Landeshauptleuten und Bürgermeistern gilt das Dienstrecht nicht.“

http://www.lindeverlag.at/titel-1-1/handbuch_korruption-4619/

Dieses Gesetz ist also unter Faymanns Kanzlerschaft, ohne es an die große Glocke zu hängen, beschlossen worden. Es hat sicher jenen stillen Weg in den Nationalrat genommen, wie die Gesetze,

Korruption durch Diversion zu regeln,

oder das Vorhaben,

die Schweigepflicht von besonders vertrauensabhängigen Berufsgruppen, wie Ärzte, Anwälte, Steuerberater und auch Journalisten, zu brechen,

hätte nehmen sollen.

Wesentlicher Zweck des Gesetzes gegen die Schweigepflicht der genannten Berufsgruppen war, die bei Journalisten beschlagnahmten Unterlagen von den Staatsanwaltschaften auch während der Einspruchsfrist einsehen und auswerten zu können, mit dem Ziel, Aufdecker von Korruption, also Informanten für Journalisten, auszuforschen und mundtot machen zu können.
Nur durch Zufall konnte das verhindert werden. Das Gesetz für die Diversion bei Korruptionsdelikten war im Gesetz zum Sparpaket(!) gut versteckt, das Gesetz für die Aushebelung der Schweigepflicht wurde nach der Begutachtung nachträglich verschärft und hatte den Ministerrat bereits passiert, es wäre also beinahe gelungen diesen Unfug zum gültigen Recht zu machen.

Mit diesen drei Gesetzes-Tools, nämlich
  1. "die oberste Ebene" überhaupt straffrei zu stellen
  2. Korruption der Diversion zu unterwerfen, und
  3. die Möglichkeit, Aufdeckern von Korruption an den Kragen gehen zu können
hätte man ein optisch scharfes Anti-Korruptionsgesetz schreiben, es medienwirksam mit großem Pomp und Trara noch vor den Nationalratswahlen 2013 einführen können, um zu zeigen, wie ernst den Parteien die Korruptionsbekämpfung in Zukunft ist, doch für sie selbst wäre es in Wahrheit totes Recht gewesen. Die illegale Parteienfinanzierung und das Schmieren von Entscheidungsträgern “auf der höchsten Ebene” unseres Staates hätte besser denn je geklappt, weil sich in Zukunft niemand an die Aufklärung dieser Schandtaten gewagt hätte.

Nachdem die letzten beiden Gesetzesvorhaben, die Diversion und das Brechen der Schweigepflicht, irgendwie gescheitert sind, hat man sich schließlich heuer vor der Sommerpause doch noch dazu herabgelassen und ein Anti-Korruptionsgesetz beschlossen, bei dem man wohlweislich die externe Kontrollmöglichkeiten wiederum praktisch unter den Tisch fallen ließ. Die Parteikassen können(!) in Zukunft zwar geprüft werden. Aber von unabhängigen Wirtschaftsprüfern, der Auftraggeber ist die zu prüfende Partei. Das ist wie wenn die Finanz meinen Steuerberater dazu beauftragt, eine Steuerprüfung bei mir auf meine Kosten durchzuführen. Es ist doch bekannt, wer zahlt schafft an und bekommt ein bestimmtes Resultat geliefert. Soweit der strafrechtliche Aspekt, aber wie sieht es mit der Kontrolle aus, wenn keine augenscheinliche strafrechtlich relevante Verdachtsmomente vorliegen und wo es nur darum geht, dass die Funktionäre über ihre Tätigkeit einfach Rechenschaft ablegen sollen? Der gelernte Österreicher ahnt es bereits; sehr schlecht.

Das Kotrollorgan “Parlamentarischer Untersuchungsausschuss”
Einziges Kontrollorgan ist der „Parlamentarische Untersuchungsausschuss“. Dieses Gremium soll Unregelmäßigkeiten der Parteien und ihrer Funktionäre überprüfen und wird durch Mehrheitsbeschluss von den Abgeordneten des Nationalrates eingesetzt und auch wieder abberufen.

Das heißt, dass jene Parteien, die geprüft werden sollen, meist Regierungsparteien, selbst an der Einsetzung des Kontrollgremiums mitwirken müssen.

Eine Novität im Rechtssystem, dass die Prüfkanditaten mitentscheiden, ob eine Prüfung überhaupt möglich und zulässig ist. Und so kommt es, dass die meisten dieser Kontrollvorgänge vorher enden, ehe sie überhaupt Ergebnisse liefern. Der schrillste unter ihnen war jener zum Eurofigtherkauf durch Schüssels schwarz-blauer Regierung. In diesen Ausschuss lieferte die ÖVP überwiegend geschwärzte Akten ” aus Datenschutzgründen”, wie sie es begründete. Er wurde schließlich mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ „zwecks Aufrechterhaltung des Koalitionsfriedens” am Beginn der Regierungsperiode Gusenbauer/Molterer mit Mehrheitsbeschluss abgedreht ohne Ergebnisse geliefert zu haben, obwohl von ihm sehr viel Aufklärung erhofft wurde. Wie sich der Kreis wieder schließt.

Der erfolgreichste war jener der heuer eingesetzt wurde. Er deckte in kurzer Zeit zahlreiche Machenschaften z.B. rund um die Telekom, ÖVP und ÖVP-Politiker auf und ehe die staunenden Bürger das volle Ausmaß der Korruption erfahren durften wurde gehandelt.

Am 19.09.2012 griffen die Regierungsparteien zu ihrer schärfsten Waffe und zeigten offenes Visier, dass sie an Aufklärung in den eigenen Reihen nicht interessiert sind. Sie nützten ihre parlamentarische Mehrheit um die Untersuchungen im ” Parlamentarischen Untersuchungsausschuß” zu den anstehenden Korruptionsfällen zu unterbinden bzw. auf einen so kurzen Zeithorizont zu reduzieren, dass eine wirksame Untersuchung der offenen Fälle nicht möglich ist. Die Präsidentin des Nationalrates, Frau Mag. Prammer, bezeichnete die hartnäckigen Verhandlungen zur Fortführung des Ausschusses und den erzielten Minmalkonsens, noch bis 16.10.2012 untersuchen zu können, als “Ausdruck eines lebendigen Parlamentarismus”. Hätte sie geschwiegen, wäre sie eine weise Frau geblieben. So aber macht sie sich zur Handlangerin am Aufklärungsverbot schuldbelasteter Parteien und Politiker. Sie macht sich aber auch zur Mithelferin am weiteren Niedergang der politischen Kultur in diesem Land mitschuldig.

Die Konsequenz aus dieser Erfahrung muss sein, dass durch Druck der öffentlichen Meinung ein völlig unabhängiges Gremium geschaffen wird, mit dem eine wirksame Kontrolle auch für Politiker und Parteien möglich wird und Prüfvorgänge nicht mehr vorzeitig, ergebnislos, abgebrochen werden können.

Mit Fug und Recht kann man behaupten, dies ist wohl der größte Vertrauensbruch den unsere „Volksvertreter“ am Bürger begehen konnten! Ich bin mir sicher, dass dieser Tag, der 19.09.2012, den Niedergang der einst großen staatstragenden “Volksparteien” eingeläutet hat.

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