Dienstag, 9. Juli 2013

Arbeit, von der man leben kann

Diese klassenkämpferische Parole passt doch nicht in das Jahr 2013; oder doch? Bemerkenswert wird der Fall erst, wenn eine solche Forderung von Mitarbeitern eines Unternehmens erhoben wird das im Besitz einer Partei steht, welche durch den Kampf für Arbeitnehmerrechte groß geworden ist. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs, kurz SPÖ genannt. Umso erstaunter kann man sein, was man auf der Website

http://diewienervolkshochschulen.wordpress.com/

zu lesen bekommt. Hier einige Original-Textpassagen:

„Die SPÖ verkündet im Wahlkampf, dass sie sich dafür einsetzen wird, dass man von seiner Arbeit auch leben kann. Da könnte sie doch gleich bei sich selbst oder noch besser bei uns anfangen! Wie wäre es, wenn wir in der VHS endlich einmal ein Gehalt bekommen, von dem man leben kann! Und nicht nur die, die gleicher sind als alle anderen. Und wie wäre es, wenn die Volkshochschulen endlich einmal ein Arbeitsplatz werden, an dem an leben kann?

Die SPÖ verliert in den Volkshochschulen ohnehin ständig an Glaubwürdigkeit, seit sie uns regiert. Täglich hören und sehen wir den Schein, der nach Außen glänzen soll, und die Wirklichkeit die nach Innen nur Schmutz hervorbringt. Mario Rieder gefällt sich bei der Präsentation einer Gefälligkeitsstudie über die Kundenzufriedenheit. Aber über die Umfrage zur Mitarbeiterzufriedenheit haben wir bis heute nichts gehört. Lasst uns darüber reden. Sag uns wie es dir in deiner VHS geht. Was läuft gut, was ist unterm Hund?

Aber bitte, tu das nicht während deiner Arbeitszeit oder an deinem Arbeitsplatz. Da bei uns keine Meinungsfreiheit herrscht und jeder, der nicht schleimt, sanktioniert wird, empfehlen wir dir, deine Post an “http://diewienervolkshochschulen.wordpress.com” von einer anonymen Adresse zu schicken.“


Und weiter auf der Website:

„Gerade in einem SPÖ Unternehmen wird auf Kosten der unteren Gehaltsebenen eingespart, wo die Löhne und Gehälter immer weiter unter das Kollektivvertragsniveau rutschen. Aber auch den TrainerInnen wird verwehrt, jemals in ein Angestelltenverhältnis übernommen zu werden. Seit GmbH Gründung beschäftigt man sich in den Wiener Volkshochschulen damit, dass Trainerinnen, die mehr als 15 Wochenstunden unterrichten, angestellt werden müssten. Es gibt aber keinen einzigen Fall, wo das wirklich gemacht wurde. Diejenigen Trainerinnen, die nach wie vor mehr als 15 Wochenstunden arbeiten, werden konsequent nicht angestellt und die Geschäftsführung vertraut darauf, dass sich niemand in so einem unsicheren Arbeitsverhältnis aufregen wird. Wo kein Kläger da kein Richter! Aber vielen KursleiterInnen, die in jahrlanger Arbeit und mit viel Engagement dafür gesorgt haben, dass laufend Kurse zustande kommen, womit ihnen selbst aber v.a. den Volkshochschulen gedient war, wurden diese Stunden quasi über Nacht gestrichen! Ohne jede soziale Verantwortung wurde vielen Menschen ihre Existenzgrundlage entzogen! Die Ironie an der Sache ist, dass TrainerInnen wirklich den höchsten Ausbildungsnachweis bringen müssen, damit sich die Wiener Volkshochsschulen bereit erklären, ihnen 18,- Euro pro Stunde als Selbständige zu bezahlen. Nach Abzug der Steuern und Sozialversicherung bleiben 9,- Euro übrig, das ist weniger als man in Wien durchschnittlich für eine unqualifizierte Reinigungskraft bezahlt.“

Ende Zitat.

Dazu muss man wissen, dass die Volkshochschulen als Bildungseinrichtung für die größte humane Errungenschaft des sozialistischen Klassenkampfes am Beginn des 20. Jahrhunderts steht. Sie wurde von den Gründungsvätern der Partei mit dem Ziel gegründet, auch der Arbeiterschaft den Zugang zu leistbarer Bildung zu ermöglichen und so zur sozialen und gesellschaftlichen Situierung dieser Bevölkerungsgruppe beizutragen. Es war neben dem Sozialen Wohnbau des „Roten Wien“ wohl die größte humanitäre Leistung der Führer der Arbeiterbewegung von damals und hat zum stetig gestiegenen Wohlstand unseres Landes beigetragen. Ja, damals hatte diese Partei noch Ideen…

Doch zurück zur Gegenwart. Wahlkampf ist. Zeit für die SPÖ ihre alten Wahlkampfschlager „Gerechtigkeitsdebatte und Reichensteuer“ aus dem Fundus zu holen und auf Plakatwände zu affichieren. Kann man doch damit nach bewährter Manier die alten Parteigänger – alt im Sinne von betagten Sympathisanten – zu den Urnen holen. Immerhin beansprucht die Partei das Monopol der ArbeitnehmerInnen-Vertretung für sich Nun, die Wahrheit ist: das ist alles schon lange her, dass die Arbeiterschaft unter der Fahne der SPÖ um ihre Rechte kämpfen konnte und vieles gewann.

Heute haben ihre Führer schon längst das Lager gewechselt. Die neue Spielwiese heißt jetzt „Neoliberalismus“. Die Lohnabhängigen und ihre Probleme mit der Arbeitswelt sind ihr weitgehend egal, sie werden bestenfalls auf eine Teilorganisation, der Arbeiterkammer, ausgelagert und “verwaltet”. Die Tagespolitik geht in eine völlig andere Richtung. Rückbau des Sozialstaates statt Fortschritt und Weiterentwicklung. Spätestens seit den Abgang von Bruno Kreisky als Parteivorsitzender hat man geistig/ideel die Montur der Werkbank mit dem Nadelstreif getauscht. Wie vollständig sie diesen Rollenwechsel vollzogen haben zeigen doch Ereignisse, wie beispielsweise diese: Rote Gewerkschafter verzocken die angesparten Mitgliedsbeiträge ihrer Mitglieder – den sogenannten Streikfond - der sich im Laufe der Jahre zu einem Millardenvermögen angehäuft hat, in der Karibik, oder jüngst in Salzburg, wo unter Federführung einer sozialistischen Landeshauptfrau und ihres feschen Landesrates 3-stellige Millionenbeträge mit hochspekulativen Papieren in den Sand gesetzt wurden. Man spricht von einem Kapital von 300-400 Millionen Euro Steuergeld das da verspielt wurde. In Papiere gesteckt, die keinen einzigen Arbeitsplatz schaffen, im Gegenteil, die zig-tausende vernichten. Nein, sie vertrauen nicht mehr auf die Kraft der realen Wirtschaft und deren wichtigsten Trägern, der Arbeitnehmerschaft, ihnen gefällt das Spiel mit den Heuschreckenkapitalismus besser. Aber trotzdem ist es immer fremdes Geld, das sie in den Sand setzen, nicht ihr eigenes.

Wen wundert´s, dass die Partei nach diesen, vorhin besprochenen Paradigmenwechsel auch in ihren parteieigenen Betrieben die neoliberale Beschäftigungspolitik lehrbuchmäßig umsetzt und das volle Register dienstnehmerfeindlicher Regeln verfolgt. Das beginnt mit Praktika für Jungakademiker, vergütet mit Taschengeldmodellen von maximal 70 Euro im Monat für Vollzeitarbeit, prekäre und befristete Dienstverhältnisse statt reguläre Angestelltenverhältnisse, subventionierte Beschäftigung bis hin zu ausbeuterischen Dienstplänen bei denen Menschen in Burn-out´s und/oder physische und psychische Krankheiten getrieben werden.
Besonders beschämend für die Partei ist wohl die Tatsache, dass eben z.B. in der Bildungseinrichtung VHS die wichtigsten Stützen des Unternehmens, nämlich jener Teil der die Wertschöpfung für das Unternehmen generiert, die Kursleiter und Kursleiterinnen, in die Scheinselbständigkeit abgedrängt werden, anstatt ihnen faire Löhne zu bezahlen. Höchst unsozial ist die Tatsache, dass man das unternehmerische Risiko auf sie auslagert und sich gleichzeitig um die Sozialabgaben drückt. Man muss sich einmal vorstellen, diese Bildungseinrichtung veranstaltet zig-tausende Kurse pro Jahr mit zehntausenden Kursstunden und kein/e KursleisterIn darf mehr als 60 Monatstunden unterrichten und verdient also brutto maximal 1.088 Euro von dem aber alle Abgaben, wie Sozialversicherung und Steuern, die Kosten für die Vorbereitung und eventuelle Behelfe für den Unterricht, selbst zu bezahlen sind. Dadurch, dass dieses Unternehmen sich auf diese Weise um die Lohnnebenkosten drückt, trägt es also auch noch dazu bei, dass das marode Krankenkassensystem noch weiter ausgetrocknet wird.

Unter regelkonformen Bedingungen ist die Beschäftigung von KursleiterInnen ein klassisches Dienstverhältnis, das eine fixe sozialversicherungsrechtliche Anstellung bedingt. Es liegt nämlich eine typische dienstnehmerseitige Abhängigkeit gegenüber dem Dienstgeber vor. Fixe Arbeitszeit, fixer Arbeitsbereich, fixer vorgegebener Kursinhalt. Umgangen wird das durch die ominöse 15 Wochenstundenregelung. Möglich ist dies, weil das Unternehmen eine Gesetzeslücke nützt, die ihr die Partei im Zusammenwirken mit dem Koalitionspartner ÖVP im Parlament geschaffen hat. Mieser gehts wohl nimmer! Bei kritischer Betrachtung könnte man auch einen Machtmissbrauch der SPÖ unterstellen, da sie ja selbst von dieser Gesetzesänderung profitiert und daher größtes Interesse hatte, dass dieses Gesetz zustande kam.

Ja, Wahlkampf ist. Daher finde ich die Veröffentlichung über das Arbeitsklima eines sozialistischen Paradeunternehmens von internen Mitarbeitern sehr mutig und es ist ihnen viel Erfolg zu wünschen. Ja, es wird wieder Zeit Arbeitskämpfe zu führen und Wahlkampfzeiten sind ein guter Zeitpunkt dafür. Vielleicht wird endlich die Partei an ihre Wurzeln zurück erinnert und sie besinnt sich wieder darauf, woher sie kommt. Ansonsten hat sie ohnehin ihre Existenzberechtigung verloren und eine neue politische Arbeitnehmervertretung muss her.

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