Montag, 19. März 2012

Kein Sturm im Wasserglas

Als gelernter Österreicher ist man daran gewöhnt, dass Parteien in ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu Übertreibungen neigen. Umgangssprachlich als "Sturm im Wasserglas" bezeichnet. Doch was die ÖVP in der Affäre „Amon“ leistet, hat mit Übertreibung nichts mehr zu tun.

Vorweg die gute Nachricht zuerst: Es ist nicht bekannt und auch offensichtlich nicht Gegenstand der jüngsten Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Wien, dass Werner Amon, Abgeordneter zum Nationalrat und ehemals Generalsekretär des ÖAAB, sich durch Zahlungen aus Hocheggers Kassen persönlich bereichert hat. Man kann in diesem Fall zurecht die Unschuld vermuten.

Doch ab hier beginnen jedoch bereits die schlechten Nachrichten. Ich will das an einem einfachen Bild verdeutlichen: Wenn der Obmann (die Obfrau) eines unbedeuteten Bienenzüchtervereins nicht weiß, für welchen Zweck Zahlungen an den Verein geleistet wurden und vor allem welche Gegenleistungen dafür erbracht wurden, verdient er/sie das Misstrauen der Vereinsmitglieder und natürlich auch von jenen Behörden, denen der Verein verantwortlich ist, insbesondere gegenüber der Finanz und im schlimmsten Fall gegenüber der Strafbehörde. Für jeden Funktionär, auch im kleinsten Verein, gilt die Verantwortlichkeit nach Innen, also den Mitgliedern gegenüber, und nach Außen, gegenüber der Öffentlichkeit und den Behörden denen Rechenschaft abzulegen ist. Dazu gibt es für juristische Körperschaften die sogenannten "Vertretungsorgane".

Wenn nun Herr Amon persönlich ein Kesseltreiben gegenüber der Staatsanwaltschaft Wien in Gang setzt, weil sie seine Tätigkeit aufgrund eines frag-und untersuchungswürdigen Vorfalls zu "hinterfragen" beginnt, dann hat er das Wesen dieser Organmandantschaft offensichtlich nicht begriffen. Das ist die harmlosere Interpretation dazu. Weitaus schlimmer ist die Sache, weil dieses Kesseltreiben durch einen gewählten Mandatar erfolgt, der genau diese staatlichen Institutionen zu vertreten, zu schützen hat und auf die er einen Amtseid abgelegt hat.

Unappetitlich wird die Sache jedoch für die Partei, der ÖVP, der Amon angehört. Sie trägt seit vielen Jahren in Regierungsverantwortung und/oder auch unter ihrer ministerieller Leitung die Verantwortung für das Justizressort. Seit dem Jahre 2000 stand dieses Ministerium, mit 2-jähriger Unterbrechung durch Maria Berger, SPÖ, immer unter konservativer Führung. Teils durch die FPÖ und BZÖ (Krüger, Böhmdorfer, Gastinger), teils ÖVP (Bandion-Ortner, Karl). Die Behauptung, dass diese Behörde also gerade bei Herrn Amon Amtsmissbrauch begeht, weil er Kritik an einem Verfahren geleistet hat, ist wohl der Gipfel der Unverfrorenheit, oder ein Ausbruch von Machtrausch und/oder paranoider Selbstüberschätzung.
Das eingeleitete Verfahren als Retourkutsche für die erwähnte Kritik Amons zu bezeichnen, dagegen spricht allein der Zeitablauf. Herr Amon ist keine 10 Tage vor Bekanntwerden des Verfahrens gegen ihn, mit seiner Kritik gegen die Staatsanwaltschaft Wien an die Öffentlichkeit gegangen. Bedenkt man jedoch, dass allein der Aktenlauf, um ein politisch derart schwerwiegendes Verfahren einzuleiten, mehrere Wochen dauert, ist die Theorie der Retourkutsche wohl nicht aufrecht zu halten. Es könnte vielmehr so sein, dass Amon und auch die Partei bereits von den geplanten Untersuchungen wussten und das kritisierte Verfahren als Anlass nahmen, um die Staatsanwaltschaft Wien zu diskreditieren und so Gründe für das Misstrauen aufzubauen. Ins Bild passt auch, dass die Tageszeitung „KURIER“, ein heimliches "Parteiorgan des Raiffeisenverbandes" seit Wochen gegen den Oberstaatsanwalt Dr. Pleischl, Leiter der Staatsanwaltschaft Wien, anschreibt.

Es wird sich heraus stellen, dass diese Nebelgranate zur Verschleierung von unleugbaren Tatsachen gezündet wurde. Einmal mehr zeigt sich, wie weit sich diese Partei in den letzten Jahren von der rechtstaatlichen Ordnung und deren Prinzipien entfernt hat.

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