Mittwoch, 29. August 2012

Wäre ich ein einfaches Parteimitglied...

Vor genau 30 Jahren, am 28.10.1982, hat ein gewisser Josef Cap, damals Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich, 3 kritische Fragen an den damaligen burgenländischen Landeshauptmann Theodor Kery gestellt. Der Rahmen dafür war ein Bundesparteitag der SPÖ. Diese aufmüpfigen Fragen führten dazu, dass Josef Cap zwar noch am selben Tag aus dem Parteivorstand abgewählt wurde, aber als Parteirebell bei der folgenden NR-Wahl einen Vorzugsstimmenwahlkampf führte und diesen auch haushoch gewann. Seither sitzt er im Parlament, weitere herausragende Leistungen sind von ihm nicht bekannt.

Diese 3 Fragen bezogen sich aus heutiger Sicht auf so banale Dinge, wie,
- ob der Herr Landeshauptmann mehr verdiene als der Bundeskanzler,
- ob er verbilligten Strom von der BEWAG beziehe,
- ob er in seiner Freizeit mit Maschinenpistolen schieße?

Diese, für damals, mutigen Fragen erregten aber solches Aufsehen, dass der Herr Landeshauptmann seinen Rückhalt in der Bevölkerung verlor, was schließlich zu seiner Wahlniederlage führte. Das waren noch Zeiten.

Ja, wär ich heute ein einfaches Parteimitglied der SPÖ oder vielleicht gar ein kleiner Funktionär so hätte ich für Herrn Faymann beim nächsten Bundesparteitag im Herbst auch einige kritische Fragen vorbereitet, die zur Abwahl des Parteiobmannes führen sollten. Zumindest würde ich mich selbst um einen solchen ABWAHLANTRAG bemühen. Dabei ginge es um nichts geringeres als um den Verrat von sozialdemokratischen Idealen im Zusammenhang mit der leidigen Inseratenaffäre. Diese Affäre wird jetzt im Herbst im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss behandelt und ist auch Gegenstand von staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen. Dabei ginge es mir gar nicht so sehr um die Frage, ob Herr Werner Faymann als Minister und Herr Josef Ostermayer als seine damals "rechte Hand" möglicherweise einen Amtsmissbrauch begangen haben, das wäre für mich als einfaches Parteimitglied nicht einmal das große Problem.

Nein, mir ginge es um den Verrat sozialdemokratischer Interessen und parteischädigendes Verhalten. Begangen dadurch, dass die beiden Herren in ihrem Amt ihnen unterstellte staatliche Unternehmungen, wie die Bundesbahn oder die ASFINAG dazu anstifteten, millionenschwere Werbeaufträge an erzkonservative Medieninhaber, wie Dichand und Fellner, zu erteilen. Aufträge, die die genannten Unternehmen sehr wahrscheinlich sonst nicht erteilt hätten und die eigentlich nur dem Ego-Tripp des Ministers dienen sollten. Durch diese Handlungen wurden erzkonservativen Familien Millionenvermögen in die Kasse gespült, die sie sonst nicht bekommen hätten, obwohl beiden Herren bewusst sein musste, dass die Nutznießer dieses Geldes niemals ein gutes Haar an der Sozialdemokratie lassen werden und ihre Medienmacht und auch die Finanzkraft dazu benützen um gegen die Sozialdemokratie anzuschreiben. Ob dabei auch Kickback-Zahlungen an Faymann und Ostermayer geflossen sind wird wohl hoffentlich noch Gegenstand von gerichtlichen Untersuchungen werden. Es darf wohl (es muss wohl), wie in Österreich üblich, Unschuld vermutet werden.

Für mich als sozusagen fiktives "einfaches Parteimitglied", das brav seine Mitgliedsbeiträge in die Parteikasse abliefert, wäre dieser Sachverhalt ein unverzeihlicher Verrat an meinem sozialdemokratischen Weltbild. Ja, es wäre der selbe Verrat, wie vor wenigen Jahren führende Gewerkschaftsfunktionäre es zugelassen haben, dass der sorgsam aufgebaute Streikfond, in Heuschreckenpapierchen investiert, in der Karibik verjuxt werden durfte und damit eine wirksame Waffe im Kampf für Arbeitnehmerinteressen einfach - im wahrsten Sinne des Wortes - "verspielt" wurde.

Nun, vielleicht findet sich beim nächsten Bundesparteitag im Herbst ein einfaches Parteimitglied oder ein einfacher Funktionär, der Herrn Faymann diese kritischen Fragen stellt.
Möglicherweise steht diesem mutigen Mann oder vielleicht einer mutigen Frau dann eine ähnliche Parteikarriere wie Herrn Josef Cap bevor. Zu wünschen wäre es ihm oder ihr.

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